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20. August 2025
Lesezeit: 4 Min.

Zeit ist Geschmack

In einer Welt, die auf Schnelligkeit, Effizienz und niedrige Kosten ausgerichtet ist, wirkt das Arbeiten mit Sauerteig wie ein bewusster Gegenentwurf. Denn dieser Prozess lässt sich nicht beschleunigen – und gerade darin liegt seine besondere Qualität. Sauerteig steht für ein handwerkliches Verständnis des Backens, das weit über blosse Funktionalität hinausgeht.

Nicht die Uhr gibt das Tempo vor – sondern der Teig

Beim Arbeiten mit Sauerteig bestimmt nicht die Stoppuhr den Ablauf, sondern der natürliche Rhythmus des Teigs. Faktoren wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Mehlsorte beeinflussen, wie schnell oder langsam der Teig reift. Erfahrung ist dabei entscheidend, um zu erkennen, wann der Teig die richtige Reife und das gewünschte Aroma erreicht hat. Diese Einschätzung basiert nicht auf Technik, sondern auf dem sensorischen Gespür, also auf Augenmass, Geruchssinn und Fingerspitzengefühl.

16, 24 oder 48 Stunden? Warum eine lange Teigruhe wichtig ist

Der Teig braucht vor allem eins: Zeit. Bei der sogenannten «langen Teigruhe» darf der Teig über viele Stunden hinweg ruhen und sich entwickeln. In dieser Phase laufen komplexe biologische Prozesse ab:

  • Gluten wird teilweise abgebaut, was das Brot bekömmlicher macht.
  • Milchsäurebakterien entwickeln natürliche Aromen, die auf künstlichem Weg nicht herstellbar sind.
  • Die Teigstruktur wird stabiler – ganz ohne Zusatzstoffe.

Von aussen betrachtet scheint der Teig nur zu ruhen. Tatsächlich findet im Inneren jedoch eine langsame, tiefgreifende Veränderung statt.

Roggensauer, Weizensauer, Lievito Madre – jede Kultur hat ihre eigene Sprache

Je nach Brotsorte und gewünschtem Charakter kommt eine andere Sauerteigkultur zum Einsatz:

  • Roggensauerteig sorgt für kräftige, leicht säuerliche Brote mit dunkler Krume.
  • Weizensauerteig bringt milde, weiche Aromen und eine feinporige Krume.
  • Lievito Madre, eine milde italienische Sauerteigvariante, fördert eine besonders zarte und aromatische Teigstruktur.

Diese Kulturen sind lebendig. Sie benötigen regelmässige Pflege, reagieren sensibel auf Veränderungen – und geben Rückmeldung, wenn man gelernt hat, sie zu «verstehen».

Im nächsten Teil geht es um eine häufig gestellte Frage der Verträglichkeit.